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Die Erfindung der Spiralfeder

Die grosse, epochale Erfindung im 17. Jahrhundert war die der Spiralfeder als Bestandteil des Gangreglers. Entscheidend für diese Entwicklung war der in Den Haag, später in Paris lebende holländische Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens (1629-1695). Im Jahre 1656 entdeckte er - unabhängig von Galileo Galilei, der diese Entdeckung schon etwa 60 Jahre zuvor gemacht hatte - das Pendelgesetz. Es besagt, dass ein an einem Punkt aufgehängtes, frei schwingendes Pendel für eine Schwingung, also für die Bewegung vom höchsten Punkt der einen Seite bis zu dem höchsten Punkt der anderen Seite, unabhängig von der Schwingungsweite immer die (fast) gleiche Zeit benötigt. Die Schwingungsdauer ist abhängig von der Pendellänge und der Erdanziehungkraft. Diese Pendeleigenschaft der zeitgleichen Schwingungsdauer nannte schon Galilei "Isochronismus". Mit dieser Eigenschaft war das Pendel der ideale Gangregler für ortsfeste Uhren, denn anders als bei der bisherigen Waag oder Radunrast hatte die Antriebskraft der Zugfeder nur noch einen untergeordneten Einfluss auf die für die Genaugkeit der Uhr entscheidende Schwindungsdauer des Pendels. Sie war nur noch nötig, um dem Pendel über die Hemmung einen Impuls zu geben.

In Wirklichkeit sind die Schwingungen des Pendels jedoch nicht völlig zeitgleich: es braucht für einen grösseren Schwingungsbogen etwas länger als für einen kleineren. Die Unterschiede sind jedoch so gering, dass sie kaum messbar sind, und für damalige Uhren überhaupt nicht feststellbar waren, weshalb das Pendel nun eine bis dahin kaum für möglich gehaltene Ganggenauigkeit ermöglichte.

Huygens selbst erkannte nach der Entdeckung des Pendelgesetzes die ideale Verwendungsmöglichkeit des Pendels für die Zeitmessung und liess den Haarlemer Uhrmacher Salomon Coster 1657 eine Räderuhr nach diesem Prinzip herstellen. In dieser Erkenntnis der richtigen, der idealen Nutzanwendung des Pendels lag Huygens Genie. Er war es auch, der bald darauf erkannte (was Galielei noch nicht gewusst hatte), dass die Schwingungsdauer nicht vollkommen zeitgleich (isochron) ist, und er experimentierte bereits mit Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung.

Es dauerte 18 Jahre, bis Huygens die Umsetzung der Erkenntnis des Isochronismus aus dem Pendelgesetz in ein für tragbare Uhren geeignetes Schwingungssystem gelang. Dabei hatte er in dem englischen Gelehrten Robert Hooke (1635-1703) einen Konkurrenten. Beide experimentierten mit Federn verschiedener Arten zur Verbesserung der Unruhschwingungen. Hooke liess seine Ideen von Thomas Tompion in die Praxis umsetzen, und für den inzwischen nach Paris gegangenen Huygens war der Pariser Uhrmacher Isaac Thuret praktisch tätig. Huygens Ver- dienst war es, mit der auf der Spindelwelle angebrachten Ringunruh in Verbindung mit einer ebenen, sich (möglichst) konzentrisch entwickelnden Spiralfeder das endgültige, eigenschwingfähige Schwingsystem als erster gefunden zu haben. Er fand heraus, dass eine an einem Ende an der Unruh- bzw. Spindelwelle und am anderen Ende an der Platine befestigte spiralförmige Feder unabhängig von ihrer Lage sich bei gleichmässigem Antrieb immer in der (fast) gleichen Zeit von einem Endpunkt bis zum anderen ausdehnt und wieder zusammenrollt (oszilliert).

Auch hier sind aber die Schwingungen nicht vollkommen zeitgleich (isochron), sondern abhängig von verschiedenen Faktoren, deren Ver- besserung die Uhrmacher im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer wieder beschäftigte. Hooke und andere Uhrmacher wie der Abbe de Hautefeuille in Paris experimentierten weniger erfolgreich mit anderen Federformen: schlangenförmigen, geraden oder Wendelfedern. Tompion, der Uhrmacher Hookes, baute schon bald nach Huygens Erfindung Taschenuhren mit Spindelhemmung und der neuen ebenen Spiralfeder in der bei ihm gewohnten hervorragenden Qualität, Daniel Quare und andere folgten. Gleichzeitig entwickelte Tompion eine Rückerregulierung nach dem bis heute üblichen Prinzip der Veränderung der wirksamen Spiralfederlänge durch verstellbare Rückerstifte. Die neue Genauigkeit der Taschenuhren machte nun auch die Messung der Minuten sinnvoll. Daher besitzen die meisten der frühen englischen Uhren mit Spiralfeder aus der Zeit um 1675-1680 ausser dem Stundenzeiger auch schon einen Minutenzeiger, der dann zur Normalausstattung der Taschenuhr wird.

Tompoins Arbeit hat eine ganze Generation guter englischer Uhrmacher befruchtet. Ihre intensive Beschäftigung mit der Verbesserung des neuen Gangreglers, der anfangs noch weit davon entfernt war, wirklich isochron zu schwingen und seine wahren Vorteile erst nach einer ganzen Reihe von Detailverbesserungen zutage brachte, sorgte dafür, dass England seit dem Ende des 17. Jahrhunderts für gut ein Jahrhundert die Rolle der führenden Uhrennation übernahm.

Quelle: Fritz von Osterhausen, Taschenuhren

Christiaan Huygens (1629-1695)





Möglicherweise einer der ersten, von Thuret für Huygens, nach dessen Zeichnungen, angefertigten Uhren. Die Spirale weist nur gerade drei Windungen auf und die Unruh hat praktisch die Grösse des gesamten Werkes





Monometallische Unruh mit Masseschrauben und Regulierexzenter. Spiralfeder aus Nivarox mit Endkurve nach Breguet
















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