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Der Lochstein oder das Bohren des Rubins

Die Ganggenauigkeit der Räderuhr stellte noch im 17. und 18. Jahrhundert dem Uhrmacher manche Probleme. Obwohl die Zylinderhemmung für die am Körper tragbaren Uhren und die Ankerhemmung für die Pendeluhren recht gute Gangresultate sicherten, liess sich doch nicht verschweigen, dass die Abnützung mit der Zeit so gross war, dass mit zunehmendem Alter des Zeitmessers sein präziser Gang Einbusse erlitt. Diese Abnützung blieb nicht nur auf die Hemmung beschränkt, sie erfasste das ganze Werk. Besonders leierten sich auch die Zapfenlager aus, und es stellte sich immer dringender die Aufgabe, bei all dem Abhilfen zu schaffen. Freilich sieht man den kleinen Zeitmessern, die uns Stunde um Stunde die Sekunden zuzählen, ihre grosse Leistung nicht ohne weiteres an. Doch bedenke man, dass eine Uhr mit der Energie von 0.000 000 01 PS 18'000 Schwingungen stündlich macht, also 432'000 pro Tag oder 157'680'000 im Jahr. Dann wird verständlich, dass die Abnützung ihrer Einzelteile einst zum grossen Problem wurde.

Als Uhrmacher und Gelehrte dieser Aufgabe nachsannen, kam einens Tages Nicholas Fatio de Duillier, ein noch junger Mann, nach London. Mit seinen 22 Jahren galt er bereits als "unvergleichlicher Mathematiker und Philosoph". Er wollte bei Newton studieren, und dieser war begeistert von ihm. Sehr bald Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften geworden, hatte der junge Studierende zunächst nichts mit Uhren zu tun, er beschäftigte sich vielmehr mit dem Sternenhimmel und schliff selbst Gläser für sein Fernrohr. Doch gerade diese Beschäftigung des Gläserschleifens brachte ihn wohl eines Tages auf den Gedanken, Rubine zu durchbohren und als Zapfenträger in Uhren einzusetzen. Mit diesen widerstandsfähigen und harten Edelsteinen hatte er das Material gefunden, das alle Uhrmacher schon lange ersehnt hatten.

Über die ersten Schwierigkeiten der Edelsteinbohrung konnte sich der "Erfinder" hinweghelfen: Er suchte die beiden Juwelieren Peter und Jakob Defaubre auf, denen schliesslich die Erfüllung von Fatios Wünschen gelang. Sie konnten auch sehr kleine Steine einwandfrei durchbohren, so dass sie in Uhren einsetzbar waren.

Im Mai 1704 meldete Fation seine Idee als Patent an und nannte sie stolz: "Die Anwendung von Edelsteinen zu Zapfenträgern in Taschen- und Pendeluhren". Die Tragweite seiner Idee begreifend, erweiterte er im gleichen Jahr das Patent und wies auf die Wichtigkeit seiner Erfindung hin.

Fatio erregte das Interesse aller Engländer, indem er betonte: "Diese Kunst ermöglicht die vollkommensten Uhren, die es je in irgendeinem Land Europas gab, was ein allgemeiner Vorteil für England wäre. Die grosse Vollkommenheit wird auch andere Nationen veranlassen, sich mit Edelsteinen, Saphiren, Rubinen und anderen von hier zu versorgen, nachdem England mit diesen genügend versehen ist. Damit könnte England allen anderen Ländern den Vorsprung auf dem Gebiete der Uhrmacherei abgewinnen und für sich selbst die Ehre in Anspruch nehmen, eine Erneuerung der Uhren veranlasst zu haben. Da Uhren mit Hilfe dieser Kunst so sehr solide, sauber und dauerhaft hergestellt werden können, dürften sie mit Vorteil nach Indien und anderen entlegenen Ländern gesandt werden, wo gewöhnliche Taschenuhren nicht gut gehen... Uhren mit diesen Edelsteinen sind als so genaugehend erkannt, dass sie in der Schiffahrt... sich brauchbar erweisen dürften, und zu Lande geben sie dem Käufer mehr Sicherheit... Edelstein- und Diamantschleifer finden mehr Arbeit, und der Handel mit Edelsteinen würde enorm zunehmen".

Rubin ist ein extrem hartes Mineral (9 Mohs), das nur vom Diamanten (10 Mohs) übertroffen wird. Aufgrund seiner Härte gleiten die Zapfen der Triebe mit deutlich geringerer Reibung, der Verschleiss durch Abrieb wird verringert, die Ganggenauigkeit erhöht.

Der Durchbruch gelang 1892 dem französischen Chemiker Auguste Verneuil als dieser erstmals synthetischen Rubin durch das Aufschmelzen von Tonerdepulver erzeugte. Heute sind Lagersteine aus synthetischem Rubin selbst in den preiswertesten Uhren eine Selbstverständlichkeit.

Der Einsatz von Rubinen als Lager- und Decksteine wie auch als Ankerpaletten






Uhruhlager:
1 Unruhwelle
2 Bohrung
3 Zapfen
5 Deckstein
6 Lochstein






Nahaufname eines Rubinlagersteins
















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